Warum auf die Berge steigen?
"Was soll der Mensch da oben? ... den überall lauernden Todesgefahren
trotzen, sein warmes, zerbrechliches Leben über viele Meilen lange
Gletscher tragen, oft in der elenden Hütte es mühselig gegen tobende
Stürme und Frost bergen, um dann, zwischen Tod und Leben hängend, die
schmale Sohle eines Schneegipfels zu gewinnen?" Das fragte sich etwa
Friedrich von Tschudi, 1820-1886, schweizerischer Naturforscher.
Francesco Petrarca, italienischer Dichter und
Geschichtsschreiber, trieb bereits am 26. April 1336 beim Anstieg zum
Mont Ventoux in der Provence "einzig die Begierde, die
ungewöhnliche Höhe dieses Flecks Erde durch Augenschein kennen zu
lernen".
George Mallory, Pionier des
Bergsteigens am Mount Everest, tat es, "weil sie da sind".
Es ergibt also keinen Sinn, es ist
risikoreich, nutzlos, oft enttäuschend. Und dennoch unendlich
faszinierend.
Man könnte es auch tun, weil
man im Sommer der dumpfen Hitze im Tal entfliehen kann, es
immer wieder neugierig macht, wie es hinter der nächsten Wegbiegung
aussieht,
man kaum irgendwo sonst so frei ist wie in den Bergen, es in
Zeiten von Geiz ist geil ein kostbares Privileg ist, sich
das Nutzlose zu gönnen, man auf Bergfotos weder Graffiti noch
Altkleidercontainer oder wilde Sperrmüllhaufen
wegretuschieren muss,
man weder für Steigeisen einen Virenschutz braucht noch für
Gletscherbrillen ein Update, Zeit zu kostbar ist, um sie über
Steuerformularen, im Chat room oder bei der Auswahl von Klingeltönen
zu verbringen, man keinen Rechtsbeistand braucht um später aus
irgendeinem 24-Monats-Vertrag zu kommen, es weit mehr begeistert
als durch verwahrloste Städte und schäbige Fußgängerzonen zu streifen.
Oder ganz einfach
weil es manchmal nötig ist, sein Leben so zu vereinfachen,
dass alles, worüber man nachdenken muss, die nächsten 20
Schritte sind und nicht die nächsten 20 Jahre.
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