Eigenständigkeit von Gipfeln
Die Bedeutung von Objekten der Erdoberfläche aus einer objektiven
Sicht herzuleiten ist naturgemäß Aufgabe der Wissenschaften der
Kartografie sowie der Geografie, die hierfür sogar eine gesonderte
Disziplin, die
Orografie, aufwendet. Diese beschäftigt sich speziell mit
Höhenstrukturen, mithin dem Verlauf und der Anordnung von Gebirgen und
Gewässern, an der natürlichen Erdoberfläche. Der Name ist dem
Griechischen von oros
(der Berg) und graphein (beschreiben) entnommen.
Die Errichtung eines Kreuzes, einer Gipfelpyramide, eines
vermessungstechnischen Höhenpunktes oder die Benennung macht einen
beliebigen Geländepunkt noch nicht zu einem Gipfel. Als solcher mag ein
Geländepunkt gelten, der
ringsum und unweit ausschließlich deutlich niedrigeres Gelände
überragt. Die anzulegende Mindesthöhendifferenz resp. -prominenz bleibt
allerdings Definitionssache. Für die Alpen und vergleichbare Gebirge
dürften etwa 30 Meter, angelehnt an die klassische Seillänge, angemessen
sein. Umgekehrt findet man Gipfel, sogar auch in den Alpen, die (noch)
keinen Namen tragen, was aber nichts an ihrer natürlichen Identität
ändert. Da es sich um natürliche Objekte handelt, erweisen sich
isolierte Schwellenwerte wie etwa nur für die Prominenz als willkürlich.
Zielführender ist es, wenn man mehrere Kennzahlen berücksichtigt und
darüber hinaus die Möglichkeit der gegenseitigen Kompensation einräumt.
Um Gipfel auf ihre geografische, genauer: orografische Bedeutung hin
zu betrachten, nimmt der Autor eine Berechnung der
Eigenständigkeit (E) nach Höhe, Dominanz und
relativer Prominenz
vor. Diese drei Kennzahlen dürften die Bedeutung eines Berges
am ehesten erfassen. Die Prominenz gibt an, wie tief ein Gipfel
herausgearbeitet ist, die Dominanz, wie weit dieser von einem höheren
entfernt ist, und die Höhe, wie weit er selbst andere zu überragen
vermag. Diese drei Größen sind messbar und damit objektiv und
einheitlich, einfach zu erheben, und nahtlos anwendbar für die gesamte
Erde, vom Achttausender bis zum Küstenhügel.
Dominanz
Dominante Berge sind jene, die in einem besonders großen Umkreis die
höchsten sind. In den Alpen ist nach dem Mont Blanc der
Großglockner
mit über 175 Kilometern der Berg mit der größten Dominanz (D), in der
Schweiz ist es der Piz Bernina mit knapp 138 km. Ein
ungemein dominanter Mittelgebirgsgipfel ist der Brocken im
Harz. Erst knapp 224 km entfernt findet sich im Erzgebirge mit dem
Fichtelberg ein höherer Geländepunkt. In Deutschland folgt mit
deutlichem Abstand der Großer Arber im Böhmerwald mit
150 km. In Frankreich findet man im
Zentralmassiv am Puy de Sancy
erst in den Alpen (218 km) und in den Pyrenäen wieder höhere
Erhebungen.
Die höchsten Erhebungen auf verstreut liegenden Meeresinseln sind
folglich meist sehr dominant.
Prominenz
Die Schärfe bzw. Ausprägung eines Gipfels kann mit der (relativen)
Höhe über seiner Scharte beschrieben werden. Die Prominenz (P) ist ein
anderer Begriff für Schartendifferenz. Diese ist die Höhe über der
tiefsten
Scharte im Verbindungsgrat zum nächst höheren Gipfel. Die
relative Prominenz ist das prozentuale Verhältnis dieser
Schartendifferenz zur Gesamthöhe. Bei sehr bedeutenden Bergen kann diese
Bezugsscharte unvermutet weit entfernt liegen. Beim Finsteraarhorn,
dem höchsten Berg der Berner Alpen, ist dies der
Simplonpass (1994m), in den Walliser Alpen
an der Grenze zu Italien gelegen. Er ist der tiefste, aber zwingend zu
durchschreitende Punkt auf dem höchst möglichen Verbindungsweg zum
vertikal nächst höheren Geländepunkt, den man eben erst in den Walliser
Alpen am Monte Rosa
findet. Der Pfad dazu zieht über Grimselpass (2165m),
Furkapass
(2431m), Nufenenpass (2478m), Griespass (2479m),
Simplonpass, Zwischenbergenpass (3268m), Antronapass
(2838m) und Monte-Moro-Pass
(2868m). Der höhere Gipfel, der die Dominanz bestimmt, ist beim
Finsteraarhorn jedoch ein ganz anderer, nämlich das Nadelhorn
in der Mischabelkette, knapp 52 Kilometer Fluchtlinie entfernt.
Prominenz und Dominanz sind also zwei völlig unabhängige Größen. Um so
untergeordneter ein Gipfel ist, desto eher fallen jedoch beide
Bezugsgipfel - jener für die Scharte (engl.
Prominence master) und jener für die Dominanz (engl. Dominance
master) - zusammen, bis hin zum klassischen Bild von
Großglockner
und Kleinglockner, deren Spitzen nur noch 70 Meter Abstand
halten und aus der kaum tieferen Glocknerscharte erreichbar
sind.
Zusammen
mit der Höhe (H) werden diese Eingangsgrößen einzeln in Indizes EP,
ED und EH von 0.0 bis 7.0 umgerechnet. Die davon
abgeleiteten acht Gesamtklassen E bilden zwei Gruppen. Die erste umfasst
die Klassen 0 (Weltberg) bis 5 (Nebengipfel), die zweite die Klassen 6
(Gratzacken/Anhöhe) und 7 (Bergschulter). Die Klassen 6 und 7 decken das
untere Ende sämtlicher konvexer Geländeformen ab, stellen aber keine
Gipfel mehr dar. Mit Weltberg
(engl. Supreme mountain) ist hier keine Konkurrenz etwa zu
Achttausendern oder den Seven Summits, den höchsten der
Kontinente zu verstehen, sondern die hohe Eigenständigkeit, die sie
selbst auf kleinmaßstäbigen Atlaskarten oder gar Weltkarten in den
Vordergrund rückt. Die Verteilung eigenständiger Gipfel in den
Gebirgen zeigt sich verblüffend uneinheitlich. Wo lange, kaum
eingeschnittene Kämme oder gar ausgedehnte Hochflächen das Relief
bestimmen, findet man seltener eigenständige Gipfel als am Rande, wo
große Talfurchen die Gebirgskörper regelrecht in Schollen auflösen.
Gipfel mit hoher Prominenz und Dominanz - und damit hoher Bedeutung -
sind für den Berggänger, ganz ohne Messwerkzeuge, zudem daran erkennbar,
wenn nicht spürbar, dass sie unmöglich im Zuge einer Überschreitung im
Vorbeigehen mitzunehmen sind. Solche Berge müssen ausnahmslos einzeln
gewonnen werden. Sie stehen niemals verbunden in einem einzigen hohen
Grat mit bequem geringen Einschartungen.
- Zur Prominenz vergl. auch die sehr detaillierten und präzisen
Informationen auf
peaklist.org.
Mögliche weitere Gipfelkriterien
Die Stellung eines Berges wäre auch an der Zahl und Reichweite der
von ihm ausstrahlenden Grate festzumachen (Gratknoten) oder über das
Volumen der Massenerhebung, indirekt am Ausmaß der Vergletscherung
abzuschätzen.
Die Bedeutung eines Berges lässt sich auch aus einer subjektiven
Sicht festsetzen: nach der bergsteigerischen oder
klettertechnischen Anforderung sowie nach Umfang der Aussicht oder der
Beziehung zum Tal, wo niedrigere, vom Hauptkamm losgelöste Berge für die
Talorte manchmal bestimmender sind. Eine Klassifizierung findet sich
auch in den Kartenwerken wieder. In den Schweizer Landeskarten der
Serien 1 : 25.000 bis 1 : 200.000 werden dabei allein zehn Schriftgrößen
verwendet. Die größeren sind stehend (teilweise zusätzlich g e s p e r r
t) gesetzt, die kleineren kursiv. Die Einstufung der Berge
und damit Klassifizierung ist in den verschiedenen Kartenblättern und
den Maßstabsserien allerdings uneinheitlich umgesetzt.
Tabelle der Eigenständigkeitsklasse (E)
Klasse E |
Eigenständigkeit |
Beispiele |
(Indizes EP+ED+EH)
/ 3 |
Berge und
Gipfel |
0 |
Weltberg Supreme Mountain |
Ätna /
Monte Etna, Barre des Ecrins,
Corno Grande,
Großglockner,
Mont Blanc |
< 1.0 |
1 |
Hauptberg eines Kontinents
Mountain |
Grand Combin
(Pointe de Grafeneire), Gran Paradiso,
Großvenediger,
Hochgall, Zugspitze |
< 2.0 |
2 |
Hauptberg eines Gebirges
Major Main Peak |
Dent Blanche,
Dent d'Herens, Monte Cevedale,
Monte Pelmo,
Weissmies |
< 3.0 |
3 |
Hauptberg einer Gebirgsgruppe
Minor Main Peak |
Allalinhorn, Castor, Liskamm
(Ostgipfel),
Schwarzenstein,
Silvrettahorn |
< 4.0 |
4 |
Hauptgipfel (im Mittelgebirge:
-hügel) Major Sub Peak |
Dürrenhorn,
Rofanspitze,
Suldenspitze,
Wilder Pfaff, Zumsteinspitze |
< 5.0 |
5 |
Nebengipfel (im Mittelgebirge:
-hügel) Minor Sub Peak |
Elwertätsch, Grand Combin de
Valsorey,
Östliche Ödkarspitze,
Piz Murtel, Schwarzhorn / Corno
Nero |
< 6.0 |
Gratzacken und
Anhöhen, die eine oder mehrere Mindestkriterien (s.u.) nicht
erfüllen |
6 |
Anhöhe Major Notable Point |
Breithorn
(Schwarzflue / Roccia Nera),
Hohes Aderl,
Kreuzreifhorn,
Kleinglockner,
Stecknadelhorn |
< 7.0 |
7 |
Sonstiger Punkt Minor
Notable Point |
Pointe Jones
(Gendarm im Nordwesten der Aiguille Blanche de Peuterey), Punta
Giordani (Südostschulter der Vincentpyramide)
Signalgipfel (Ostschulter Wilder
Freiger)
Bschlaber Kreuzspitze (Südschulter
Mittlere Kreuzspitze) |
7.0 |
- Die Grenze zwischen Berg und Gipfel (3.99 / 4.00) gilt im
Himalaya zugleich als Definition eines "Achttausenders". Im Himalaya
werden damit nur Erhebungen mit E 0.00 bis 3.99 gezählt. Hierzu
passt, dass dem Broad Peak (Mid Peak), 8011m, mit einer E von 4.26
die Anerkennung als eigenständiger Berg und damit als 15.
Achttausender üblicherweise versagt bleibt.
- In den Alpen werden bei den
Viertausender-Listen
von Blodig oder Goedeke nur Gipfel mit E 0.00 bis
4.99 gezählt, während die Liste der UIAA noch Gratzacken
der gesamten Klasse 6 (6.00 bis 6.99) als Haupt-(!)Gipfel anerkennt.
- Für die Alpen findet sich als Schwellenwert für einen
eigenständigen Berg häufig eine Mindest-Prominenz von 100 Metern,
was weitgehend einer Eigenständigkeit von 3 entspricht. Teils findet
man auch 300 Meter gefordert, was einer höheren Eigenständigkeit von
2 entspricht.
- Die englischen Begriffe sind von
Extreme Collect
stellvertretend übernommen. Während sich (die ebenfalls acht
Stufen) dort rein auf die Prominenz als Basis der Eigenständigkeit
beziehen, werden sie hier auf die erläuterte, breite Grundlage von
Dominanz, Prominenz und Höhe übertragen.
Anwendungsbeispiele aus dem Himalaya:
Berg |
Höhe (m) |
Eigenstän-
digkeit |
Dominanz (m) |
Relative Prom.(%) |
Prominenz (m) |
Scharten- höhe (m) |
Scharte |
Mount Everest |
8848 |
0,00 |
Halber Erdumfang
|
100,00 |
8848 |
0 |
entf. |
Lhotse (8516m?) |
8501 |
3,05 |
3022 |
6,06 |
515 |
7986 |
South Col |
Lhotse Shar |
8383 |
4,47 |
975 |
0,99 |
83 |
8300 |
k.A. |
Broad Peak (Mid Peak) |
8011 |
4,26 |
700 |
2,26 |
181 |
7830 |
k.A. |
Nuptse |
7879 |
3,22 |
3500 |
3,93 |
319 |
7569 |
k.A |
Baruntse |
7220 |
2,24 |
8100 |
14,27 |
1030 |
6190 |
k.A. |
Anmerkung: Auch den Lhotse Shar findet man nicht als sogenannten
Achttausender, da er mit einer
Schartendifferenz (Prominenz) von unter 500 Metern, dem groben
Schwellenwert im Himalaya für Eigenständigkeit, nicht als Berg
gilt (zum Vergleich: das
Bishorn in den Walliser Alpen weist
lediglich 88m Prominenz auf). Nachlässigerweise wird dies mit einer
generellen
Gipfel-Definition gleichgesetzt, die aber so nicht gemeint ist.
Selbstverständlich findet man im Himalaya und im Karakorum weitaus mehr
als vierzehn Gipfel über 8000m.
Mindestkriterien
1.) Gipfelhöhe 70 Meter (näheres s. Höhenindex EH). 2.)
Eine auf die Schartendifferenz resp. Prominenz (p) bezogene Grenze für
die maximale horizontale Entfernung zur Bezugsscharte (d), berechnet
nach
d / p2. Bewegt sich der Faktor über 10,
handelt es sich um wenig markante Anhöhen mit extrem großer Dominanz
innerhalb riesiger, reliefarmer Gebiete wie man sie etwa in Australien
oder Afrika vorfindet.
3.) Schartendifferenz resp. Prominenz mit nahtlosem Übergang vom
Mittelgebirge (etwa 10 Meter) über die Alpen (um 30 Meter) bis zum
Himalaya (maximal 50 Meter):
Gipfelhöhe in
Meter |
Mindest-
Schartendifferenz für einen Gipfel in Meter |
Prozent der
Gipfelhöhe |
8848 |
50 |
0.56 |
6000 |
41 |
0.69 |
4000 |
34 |
0.84 |
3000 |
29 |
0.99 |
2000 |
24 |
1.20 |
1000 |
17 |
1.70 |
500 |
12 |
2.41 |
250 |
9 |
3.41 |
125 |
6 |
4.84 |
70 |
5 |
6.49 |
|
|
Mindestschartendifferenz =
50
1.41 log2(8848/Gipfelhöhe)
|
Im Einzelnen: Die Indizes EP, ED
und EH der Eigenständigkeit
1.) Relativer Prominenzindex EP = - log2(Relative
Prominenz / 100)
EP |
Relative Prominenz in Prozent größer oder gleich ... |
0.0 |
100.0 |
1.0 |
50.0 |
2.0 |
25.0 |
3.0 |
12.5 |
4.0 |
6.3 |
5.0 |
3.1 |
6.0 |
1.6 |
7.0 |
0.8 |
|
|
Die Schärfe bzw. Ausprägung eines
Gipfels kann mit der (relativen) Höhe über seiner Scharte
beschrieben werden. Die Prominenz ist ein anderer Begriff für
Schartendifferenz. Diese ist die Höhe über der tiefsten Scharte
im Verbindungsgrat zum nächst höheren Gipfel. Die relative
Prominenz ist das prozentuale Verhältnis dieser
Schartendifferenz zur Gesamthöhe. Ein Berg mit 2000m Höhe,
dessen tiefste Scharte im Verbindungsgrat zum nächst höheren
Gipfel 1500m bemisst, hat eine Prominenz von 500m bei einer
relativen Prominenz von 25,0.
- Referenz sind Berge mit einer relativen Prominenz von
100 Prozent. Diese ist nur erreichbar vom jeweils höchsten
Berg eines vollständig vom Weltmeer umgebenen Gebietes, das
sind einerseits die riesigen Kontinente und andererseits
sämtliche Meeresinseln. Die unausgeglichene Verteilung über
den Globus zeigt, dass diese orografische Kennzahl
alleine untauglich sein muss. Im Zusammenspiel mit der
Dominanz (s.u.) erhält man jedoch rasch ein sehr brauchbares
Kriterium.
|
2.) Dominanzindex ED = - log2(Dominanz
in Meter / 100000)
ED |
Dominanz in Meter
größer oder gleich ... |
0.0 |
100000 |
1.0 |
50000 |
2.0 |
25000 |
3.0 |
12500 |
4.0 |
6250 |
5.0 |
3125 |
6.0 |
1563 |
7.0 |
781 |
|
|
Stehen Berge, egal welcher Höhe,
dicht beisammen, ist die Bedeutung des zweit- oder dritthöchsten
in einer solchen Versammlung eingeschränkt. Dies wird mit der
Dominanz erfasst. Es ist die vom Gipfel eines Berges aus
gemessene horizontale Entfernung zum nächst höheren
Geländepunkt. Sie gibt den minimalen Umkreis an, den man auf dem
zu klassifizierenden Gipfel überragt.
- Referenz sind 100 Kilometer Entfernung zum nächst
höheren Geländepunkt. Dieser runde Wert kommt der maximalen
Sichtweite nahe, bei der man entfernte Berge am Horizont
während sehr klarer (etwa 50 Kilometer) bis außergewöhnlich
klarer Wetterbedingungen (etwa 280 Kilometer) noch ausmachen
kann. Berge, die diesen Abstand zueinander wahren, werden
innerhalb eines Gebirges unbestritten als überall sichtbare,
prägende Geländemarken, die Eckpunkte des gesamten
Gebirgskörpers angesehen. In den Alpen sind dies lediglich
vier Berge (West nach Ost): Barre des Ecrins, Mont Blanc,
Piz Bernina und Großglockner.
|
3.) Höhenindex EH = - log2(Gipfelhöhe in Meter
/ 8848)
EH |
Gipfelhöhe in
Meter größer oder gleich ... |
0.0 |
8848 |
1.1 |
4000 |
2.1 |
2000 |
3.1 |
1000 |
4.1 |
500 |
5.1 |
250 |
6.1 |
125 |
7.0 |
70 |
|
|
Berücksichtigung der absoluten
Höhe. Dieser Faktor fließt ebenfalls zu einem Drittel in die
Bewertung ein.
- Referenz ist der höchste Berg der Erde, der Mount
Everest mit 8848m.
|
Höchste Berge auf Meeresinseln
Der höchste Gipfel einer Meeresinsel hat stets eine relative
Prominenz von 100 Prozent. Da dieser Faktor nur zu einem Drittel die
Klassifizierung bestimmt und der zweite, gleichgewichtige Faktor, die
Dominanz - welche über offene Meeresflächen hinweg leicht gewaltige
Dimensionen erreichen kann -, oberhalb von 100 Kilometern im
angewendeten Verfahren gekappt wird und damit keinen unendlichen
Bedeutungszuwachs bewirkt, erfahren die Inselhöchsten keine
Überbewertung. Man könnte alternativ die Dominanz generell nur innerhalb
der jeweiligen Landflächen erheben. Dies würde allerdings gerade
besonders steil aufsteigende Vulkaninseln, etwa die Insel Stromboli
im
Tyrrhenischen Meer über Gebühr benachteiligen (die Dominanz
würde von 80 Kilometer auf 2.2 Kilometer schrumpfen) und Erhebungen auf
flach ausgedehnten Inseln, wie etwa auf Gotland, zu sehr begünstigen.
Der niedrigste Weltberg (E < 1.0) dürfte auf einer Meeresinsel liegen.
Er müsste 1107m hoch aufragen und mindestens 100 Kilometer vom nächst
höheren Nachbarn liegen.
Anwendungsbeispiele für Inselberge:
Berg |
Insel |
Höhe (m) |
Eigenstän-
digkeit |
Dominanz (m) |
Relative Prom.(%) |
Prominenz (m) |
Scharten- höhe (m) |
Agung |
Bali |
3142 |
0,50 |
100000 |
100,00 |
3142 |
0 |
Ätna / Monte Etna |
Sizilien |
3323 |
0,47 |
1010000 |
100,00 |
3323 |
0 |
Dhirfis Oros |
Euböa |
1743 |
0,78 |
108000 |
100,00 |
1743 |
0 |
Kawaikini |
Kauai |
1526 |
1,47 |
27000 |
100,00 |
1526 |
0 |
Mauna Kea |
Hawaii |
4205 |
0,36 |
>1000000 |
100,00 |
4205 |
0 |
Monte Cinto |
Korsika |
2706 |
0,57 |
220000 |
100,00 |
2706 |
0 |
Pakhnes |
Kreta |
2453 |
0,81 |
80000 |
83,08 |
2038 |
415 |
Psiloritis (Timios Stavros) |
Kreta |
2456 |
0,62 |
414000 |
100,00 |
2456 |
0 |
Spathi / Lasithiotika |
Kreta |
2148 |
1,01 |
60000 |
83,71 |
1798 |
350 |
Stromboli |
Stromboli |
924 |
1,19 |
80000 |
100,00 |
924 |
0 |
Mittelgebirge und Hochgebirge
Einzelne Anhöhen kann man nach Berg, Haupt- oder Nebengipfel
unterscheiden. Im typischerweise gerundeten Mittelgebirge wird man die
weniger eigenständigen Anhöhen (E >= 4) statt als Gipfel als Hügel
ansprechen. Die Gebirge werden dagegen gewöhnlich nach ihrer
Schroffheit in Hügelland, Mittelgebirge und Hochgebirge charakterisiert.
Mittelgebirge sind Gebirge, welche im Gegensatz zum Hochgebirge eine
bestimmte Höhe unterschreiten, gegenüber dem niedrigeren Hügelland aber
noch genügend Reliefenergie, die Höhendifferenz zwischen höchster
Erhebung und Gebirgsfuß, aufweisen. Die betreffenden Mindesthöhen
sind dabei Definitionssache. Für die Reliefenergie verlangen manche
Quellen lediglich 200 Meter, während andere bis zu 500 Meter
voraussetzen. Erst ab einem Reliefunterschied von über 1000 Metern wird
ein Gebirge üblicherweise als Hochgebirge angesprochen.
Für die vertikale Abgrenzung zwischen Mittelgebirge und Hochgebirge
zeigen sich Höhenlage von Baumgrenze und Vergletscherung als
charakterlich treffendste und auch einfach zu ermittelnde Kennzahl.
Mittelgebirge bleiben damit unter der Baumgrenze und waren in höheren
Lagen in historischen Zeiten auch nicht vergletschert. Somit pendelt in
Mitteleuropa die Grenze zum Hochgebirge bei etwa 1800 bis 2100 Metern,
während sie am Äquator bei 3000 bis 4000 Metern und an den Polkappen
nahe Meereshöhe anzusiedeln ist. Speziell in Österreich wird
Mittelgebirge allerdings anders verstanden, nämlich weniger nach Höhe
sondern nach der Lage in der Mitte zwischen dem (generell höheren)
Hauptkamm einerseits und den randlichen, nicht immer höheren Kalkalpen
andererseits. Während diese gegenüberliegenden Einfassungen sich beide
felsig und schroff zeigen, ist das Mittelgebirge dazwischen abgerundet
und weniger "alpin".
Physiogeografisch zeichnen sich Hochgebirge in den mittleren Breiten,
also zwischen etwa 40o und 70o, durch glaziale
Formen wie Kare, Gratversteilungen und Steilwandbildungen aus, die auf
eiszeitliche Vergletscherung(en) hinweisen und in den Gipfelregionen in
Höhen ab etwa 2000 bis 2500 Meter anzutreffen sind. Landschaftlich
(geomorphologisch) sind oft Steilformen und große Höhenunterschiede auf
engem Raum für Hochgebirge kennzeichnend, damit verbunden eine
ausgeprägte Gliederung in Vegetationshöhenstufen. Für die
breitenparallel streichenden Alpen empfiehlt der Autor daher eine Grenze
einheitlich bei 2000 Metern (weniger praktikabel mindestens 1800 Meter
für die Nordalpen bei gleichzeitig 2100 Metern für den Alpensüdrand),
während sie im norwegischen Küstengebirge von Süd nach Nord grob bei
1500 bis 1000 Metern zu liegen kommt. Im Mittelmeerraum sind
überschlägig 2500 Meter angemessen.
Ungefähre Grenze zwischen Mittel- und Hochgebirge:
Breitengrad |
Meter |
Ortsbeispiel |
90 |
500 |
Nordpol |
81 |
800 |
Nordgrönland |
72 |
1100 |
Nordkap |
63 |
1400 |
Trondheim |
54 |
1700 |
Rostock |
45 |
2000 |
Turin |
36 |
2300 |
Gibraltar |
27 |
2600 |
Kanarische Inseln |
18 |
2900 |
Südliche Sahara |
9 |
3200 |
Äthiopisches Hochland |
0 |
3500 |
Äquator |
Siehe auch
Gipfel im Taunus nach Dominanz und Prominenz.
- Vergl. auch
Extreme Collect - Zusammenstellungen und Beschreibungen
von herausfordernden (Sammel-) Serien aus den Sportbereichen:
Bergsteigen, Klettern, Triathlon, Laufen, Rennrad, Mountainbike,
Trekking.
- Vergl. auch den
Artikel von Christian Thöni in der Reihe Wissenschaft
und Bergwelt in "Die Alpen", der Bergsteigerzeitschrift des SAC,
Heft 1/2003.
- Als Pionier der Definition und Erfassung der Eigenständigkeit
von Bergen gilt vielen der deutsche Bergbesteigungs-Chronist
Eberhard Jurgalski.
-
Online-Rechner
zur Ermittlung der Eigenständigkeit (nach o.g Formel) von
Outdoor-Clan.
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